Es könnte in naher Zukunft fatal sein, sich auf Software aus den USA zu verlassen, die dann auch noch Cloud-basiert arbeitet. Jederzeit kann man uns von Microsoft 365, Mail, Acrobat, Photoshop und was auch immer abklemmen. Ein Beispiel ist die Sperrung des Mailaccounts des Chefanklägers des Internationalen Strafgerichtshofs. Wenn das für ein ganzes Land passiert, geht erstmal das Licht aus.
Ich habe privat eine Nextcloud im Keller, meinen eigenen Mailserver, habe Softmaker Office lizenziert (das laut c’t (Paywall heise+) zu MS Office kompatibelste Programm, und es kommt aus Deutschland!).
Klar kann nicht jede:r das Zeugs selbst hosten. Und auf manche Sachen kann man auch noch nicht verzichten, aber ein Anfang ist auch was wert. Schleswig Holstein macht es mit einer Open Source Strategie vor.
Lange Vorrede, kurze Frage: Wie siehts bei euch aus, was macht eure Institution? Habt ihr privat schon einiges umgestellt? Wo gibt es entsprechende Initiativen?
Dummerweise schreibt einem ja die Institution vor, was man benutzen muss, um mit den Kolleg*innen zu kommunizieren. Wupps, und schon ist man im Microsoft 365-Sumpf, sucht seine Dateien in Teams, nein: One-Note, nein: Sharepoint. Alle mit anderen Darstellungen und z.T. Rechtevergaben. Letzt wurde (von wem?) bei mir irgend etwas umgestellt, da sah ich nur noch Microsoft Copilot und keine Dateien mehr. Nur der Link eines Kollegen gab mir wieder die Möglichkeit, auf die gemeinsam gehegten Dateien zuzugreifen.
Die nächste Stufe ist dann diese Windows10-Umstellung. Das ist dann die Aufforderung, auf Linux Mint umzustellen, das bei mir probehalber schon auf einem alten Laptop läuft.
Es ist wenig, was man vermißt, wenn man von der Microsoft-Welt Abschied nimmt. Libre Office funktioniert so einigermaßen und anderes, wie die PDF- oder Bildbearbeitung, bekommt man auch mit PDF24 oder GIMP hin.
Man kann nur hoffen, dass die Institutionen irgendwann die Kurve bekommen. Denn für Microsoft steht vor allem die Normativität des Faktischen: Alle arbeiten damit und so muss ich auch damit arbeiten. Ein falsches Motto
Absolut. Denn schätzungsweise 90% der Menschen, die mit MS Office arbeiten, würden nichts vermissen oder erst gar nichts merken, wenn sie stattdessen eine der Alternativen nähmen. Und das gilt auch für den viel zitierten Fall „wenn der mir aber docx schickt, muss ich word nehmen, um das zu bearbeiten“ … Falsch. Geht mit Softoffice Textmaker wunderbar.
Aber wo sind die aufgewachten CIOs/RZ-Leitungen, die eine Open-Source-Strategie (oder eine EU-Software-Strategie) entwerfen, um der Abhängigkeit zu entkommen?
Wir hängen hier ja an der Stadt und meines Wissens nach gibt hier hier keine Bestrebungen, sich von Microsoft zu lösen. Aber vielleicht tue ich den Kollegi:nnen unrecht und die arbeiten im Hintergrund schon an er Umsetzung von Alternativen. In unserem Netzwerk der Digitalisierungexpert*innen ist das Thema bislang noch nicht aufgekommen. Aber ich kann das als Teil des Lenkungsteams ja mal einbringen
Oder mal in unserem … ja, unserem Sharepoint mal die Frage aufmachen. (erledigt )
Privat habe ich schon noch nen Windows-Laptop, nutze aber LibreOffice (schon allein, weil ich mir die Kosten fürs MS-Office-Paket sparen wollte )
LibreOffice nutze ich auf dem neuen Tablet. Als Studi hast du MS-Office für 7 € im Monat bekommen. Das habe ich auch noch nicht gekündigt. Mal sehen, wann ich das tue, aber ich habe LibreOffice auch noch aufm Laptop und meine Eltern nutzen beide LibreOffice.
Im MS-Bundesvertrag für Unis und FHs ist nach meinen Infos (grad keine Quelle verfügbar) ein kostenloses oder sehr billiges MS Office für Studierende enthalten. Das erinnert mich an den Dealer, der vor der Schule steht und den ersten Schuss kostenlos anbietet. Sorry für den Vergleich …
Für mich privat fahre ich fast die gleiche Strategie: private Nextcloud, eigener Mailserver, LibreOffice…
Bei der Arbeit sieht’s dann schon etwas schwierigier aus, hier gibt’s mit dem Landesangebot bwSync&Share (basiert auch auf Nextcloud) und dem von unserem RZ für die Uni eingerichteten zentralen Matrix-Server schon echt gute Ansätze. Leider sieht das auf Betriebssystem-, Office- und Mailebene ganz anders aus, da geht es mit einer Migration zu Exchange (Mitarbeitende), bzw. Open Exchange (Studierende) leider gerade wieder in eine andere Richtung.
So werden die Mitarbeitenden in eine (gefühlte) Abhängigkeit getrieben: man kennt es eben, man hat sich damit arrangiert, eine Änderung würde ein Umdenken und vor allem auch Zeit (und sicher auch Schulungen) mit sich bringen, wofür im laufenden Betrieb kein Platz zugestanden wird.
Aber solche Initiativen wie die angesprochene in Schleswig Holstein lassen mich die Hoffnung nicht aufgeben (ich bin auch schon lange genug dabei, um zu wissen, dass solche Entwicklungen nicht von jetzt auf gleich passieren ).
Es ist nur ein bisschen schade, dass es scheinbar immer erst solche disruptiven Ereignisse braucht, damit man auch einmal über Alternative nachdenkt.
Ich habe etwa 2010 – mit dem Umstieg von Windows auf Linux, privat wie beruflich – angefangen, schrittweise meine Abhängikeit von großen kommerziellen Software- und Diensteanbietern abzubauen. Ein Prozess, der bis heute nicht abgeschlossen ist. Nach und nach habe ich einige Dinge ausgetauscht.
KeePassXC bzw. auf Android KeePassDX, wobei ich die Datenbanlen mit SyncThing sychron halte, siehe unten.
entgoogeltes Android-Telefon, lange Zeit mit LineageOS, aktuell mit GraphenOS und F-Droid für App-Verwaltung plus Aurora – wenn ich doch mal etwas aus dem Google Play Store brauche.
Codeberg anstatt GitHub, wo ich es alleine entscheiden kann
Im Keller habe ich auf einem Raspberrypi einen kleinen Server laufen mit:
SyncThing für die Synchroniserung von Daten zwischen Maschinen, P2P file Sharing und Backup (vorher hatte ich Seafile, davor Dropbox)
ein radicale-Server für Familienkalender und Kontakte, die via CalDAV und CardDAV auf die jeweiligen Geräte (bei Android mit Unterstützung von DAVx⁵) gesyncht werden
einem MiniDLNA-Server, über den ich am Fernseher mit dem Firestick und VLC Videos streamen kann.
Beruflich:
openbiblio.social anstatt Twitter/X
Das hbz hat eine eigene BigBlueButton, die wir in der Metadateninfrastruktur-Gruppe favorisieren, auch wenn das hbz zusätzlich GoTo bzw. neuerdings Zoom lizenziert hat.
Für kollaborative Textarbeit und die Erstellung von Präsentationsfolien nutzen wir HedgeDoc (mittlerweile auf einer eigenen Instanz). (Das hbz hat auch eine NextCloud.)
Wir hosten auch zwei Discourse-Foren (metadaten.community und das SWIB-Forum) und ich bin bei verschiedenen anderen registriert.
Wir nutzen intern mittlerweile Forgejo als Git-Forge. Das ist dieselbe Software, die auch hinter Codeberg steckt. Perspektivisch würde ich mir wünschen, unsere Repos von GitHub nach Forgejo zu migrieren, das wird insbesondere attraktiv, sobald Forgejo Förderation mittels ActivityPub/ForgeFed unterstützt, siehe die Roadmap
Ansonsten setzen wir in der Metadateninfrastruktur-Gruppe vollständig auf Open Source bei unserer Arbeit und stellen alles, was wir entwickeln offen zur Verfügung, siehe gruppe-offene-infrastruktur · GitHub Topics · GitHub . Wir haben soweit ich weiß keine einzige Abhängigkeit von einem kommerziellen Produkt.
Damit kein falscher Eindruck aufkommt: Die Abnabelung von Tech-Konzernen ist wie gesagt ein jahrelanger Prozess, der noch andauert. Man muss halt irgendwo anfangen und manchmal gibt es schlicht keine Alternativen (viele Elternchats nutzen WhatsApp, ich habe immer mal wieder einen Umzug nach Signal vorgeschlagen, das hat aber nur einmal geklappt) oder die Bequemlichkeit hält mich doch ziemlich lange bei Diensten, die ich eigentlich nicht nutzen möchte, z.B. bin ich noch bei PayPal. Zudem wohne ich nicht alleine und wir haben viel Kram großer Tech-Anbieter im Haus und auf den Geräten meiner Frau und Kinder: Google, Spotify, Amazon, Netflix, TikTok, CHatGPT… Immerhin bekommt meine Familie mit, dass es auch anders geht, und sie werden ja mehr und mehr ihre Erfahrungen mit Enshittification, steigenden Preisen usw. machen und dann vielleicht daran denken, dass man sich auch davon unabhängig machen kann und ggf. selbst auf Alternativen umsteigen. Ich werde da sein und gerne unterstützen.